Der Wecker klingelt und ich starre verschwommen auf eine Uhrzeit die ungerader nicht sein könnte. Es ist 8:06.
Ich hab irgendwie die natürliche Veranlagung dazu, mir Weckzeiten rauszusuchen die so ganz und gar nicht normal sind. Jeder Andere hätte mit Sicherheit 8:05 Uhr oder 8:10 Uhr genommen, aber nicht ich. Bloß nicht normal sein, könnte ja wehtun.
Es mag Menschen geben die keinerlei Probleme damit haben morgens aus dem Bett zu kommen, ich allerdings gehöre definitiv nicht dazu. Schon gar nicht an Werktagen. Was für eine durchweg beschissene Bezeichnung ist das eigentlich? WERKTAG. Welcher kranke Gewerkschaftsrevoluzzer hat sich das denn aus dem Kopf gedrückt? Allerdings muss ich im Moment zugeben, dass mir selbst keine bessere Bezeichnung einfällt. Aber um 8:06 Uhr morgens auch kein Wunder, denn wie bereits erwähnt fällt mir das Aufstehen nicht leicht und bis ich gewaschen, gekleidet und ansprechbar vor meiner Tür stehe, bedarf es einiges an feinfühliger Routine.
Nehmen wir für den Anfang das Frühstück. Ich bin so wählerisch bei der Auswahl meiner Nahrung wie kein anderes Säugetier auf diesem Planeten. Deshalb ist es für mich von Vorteil ein breites Sortiment an Cornflakes in meinem Küchenschrank zu lagern. Auch entscheide ich spontan jeden Morgen aufs Neue, ob ich meine Flakes mit einem großen Esslöffel, oder der kleineren Option, einem Teelöffel zu mir nehme.
Heute Morgen benutz ich jedoch weder Tee- noch Esslöffel und schiebe mir ein Nutellabrot in den Mund, dazu Cola aus der Dose. Ja genau, aus der Dose! Es ist in Deutschland ja schon eine Seltenheit geworden und wird fast als Luxus angesehen wenn sich heut zu Tage noch jemand eine Dose leisten kann. Genau die Dinger, die man früher immer am Straßenrand liegen sah, im besten Fall noch Fußball damit spielte, heute aber behutsam zum Geschäft zurück bringen muss um sein Pfandgeld wieder einzutreiben. Ich kaufe meine Coladosen allerdings in Luxemburg und immer wenn mir Deutschland wieder auf den Sack geht, nehme ich mir so eine Dose und zerdrücke diese nach dem trinken genüsslich in meiner rechten Hand. Dabei versuch ich wie Satan zu lachen und lasse meinen Kopf sachte nach hinten fallen um teuflischer zu wirken. In Wahrheit habe ich natürlich keine Ahnung wie Satan denn so lacht und sehe wahrscheinlich wie ein Vollidiot aus, der eigentlich in ein Zimmer mit Gummiwänden gehört.
Na ja, auf jeden Fall gefällt mir das Gefühl eine Dose ab und an unachtsam in eine Tonne zu klopfen.
Frisch geduscht und mit einer Cola-Nutella-Mischung im Magen stehe ich vor meiner Wohnungstür und wage den ersten Schritt nach draußen. Es ist irgendwie kalt und genau wie beim Frühstück entscheide ich mich jetzt erstmal spontan ob ich die Straßenbahn oder mein Auto nehme um ins Büro zu kommen. Möchte ich lieber Scheiben kratzen oder einen 8 Minuten langen Fußmarsch an diesem 2 Grad kalten Februartag hinter mich bringen? Hmm. Da es Montag ist und aus unerklärlichen Gründen jeder meiner Mitmenschen im Umkreis von 20km meint mit dem Pkw die eh schon zu volle Autobahn verstopfen zu müssen, entscheide ich mich kurzer hand für die Bahn. Die ist zwar unbequem aber dafür gibt?s dort jede Menge kostenloser Unterhaltung in Form von Mitbürgern und Mitbürgerinnen.
Kaum in der Nähe der Haltestelle angekommen haben wir auch schon das erste Objekt mit enormem Entertainmentfaktor. Ein Möchtegern perspektivloser Schüler, der seine Jeans in den Socken trägt und auf seine nach hinten gegelten Haare sachte eine Baseballcap gelegt hat. Er hat die Kappe nicht auf, nicht ab, sondern einfach nur sachte auf dem kopf liegen. Neben Ihm steht wohl sein bester Freund, sein Kumpel. Zwei echte Homies!
Sein Kumpel, nennen wir Ihn einfach mal Achmet, zeigt ihm, wir wollen Ihn mal Ali nennen, seine neuste Mucke auf dem Handy. Ali findet diese wohl so ?hammer ,alda?, dass er spontan anfängt mit zu Rappen. Er kennt den Song also bereits. Es dauert dann keine 20 Sekunden bis auch Achmet los legt und die Zweitstimme beisteuert, die aus einem ?Ahaa? und einem sich wiederholenden ?Yea? gerne auch als ?Ohyea? oder in Kombination ?Ohyea, Ahaa? besteht. Keinen Meter weiter steht eine ältere Dame die mir jetzt schon Leid tut. Sie ist sichtlich schockiert und wirkt leicht verängstigt. Um Sie etwas zu beruhigen und auch um das ganze Spektakel aus der Nähe zu betrachten stelle ich mich zwischen die Dame und die beiden Homies. Ali findet seine Performance wohl so genial, dass er zwischen den Versen immer wieder kleine Bewegungen einbaut, so genannte Moves. Welche eigentlich nur aus Kopfnicken und Händegefuchtel bestehen. Aber egal, er ist mein Entertainer und ich sein Publikum.
Die Vorstellung geht langsam in die letzten Züge über als Achmet diese dann ganz beendet und seinen Homie bejubelt ?Ey alda, fett fett!? Ali hingegen ist so aus der Puste, dass er jetzt erstmal eine Zigarette suchen muss. Ich nutze die Gelegenheit und applaudiere laut. Die ältere Dame ist sich in diesem Moment dann nicht mehr ganz so sicher ob sie nicht auch vor mir Angst haben muss und die beiden Handy-MC´s Ali und Achmet gucken auch dumm aus der Wäsche. Zum Glück kommt die Bahn rechtzeitig und ich kann den verdutzten Rappkings kommentarlos entkommen.